Wer war der 'Bayerische Hiasl'?
Matthäus Klostermayr (1736 - 1771), der als "Bayerischer Hiasl" in die Geschichte einging, war Anführer einer - wie er meinte - "gerechten" Wildschützen- und später auch Räuberbande, die ihren Wirkungskreis im schwäbisch-bayerischen Gebiet hatte. Durch die sozialen Umstände und seine außergewöhnlichen Schießkünste setzte die Legendenbildung um seine Person schon zu seinen Lebzeiten ein und stellte eine schillernde Persönlichkeit zwischen Verehrung und Verachtung dar. Bis heute ist er als Sozialrebell in Kunst, Literatur und Volksgut vertreten und sein Andenken wird regional und überregional gepflegt.
So hat sich in seinem Heimatort Kissing der "Historische Förderverein 'Bayerischer Hiasl' e. V." die Denkmalspflege des Wildschützenhauptmanns zur Aufgabe gemacht und betrieb gemeinsam mit Partnern bis 2017 ein Museum auf Gut Mergenthau. Informationen zu diesem Thema und rund um den "Hiasl" sind auch auf der eigens dafür eingerichteten Internetpräsenz der "Regio Augsburg Tourismus GmbH" zu finden.
Im Folgenden sind Lebenslauf und Werdegang des "Hiasl" bis zu seinem gewaltsamen Ende faktisch zusammengefasst.
Kindheit und Jugend
1736 als Sohn des Michael Klostermayr und seiner Frau Elisabeth in einem ärmlichen Häuschen (No. 30, "Zum Brentan") in Kissing nahe Friedberg geboren.Während in der Literatur meist der 03. September als Geburtstag angegeben ist, gehen Historiker inzwischen teilweise davon aus, dass der Geburtstag mit dem in der Taufmatrikel der Pfarrkirche St. Stephan zu findenden Taufdatum, dem 13. September gleichzusetzen ist. Tatsächlich strebte man im 18. Jahrhundert aufgrund der hohen Kindersterblichkeit und großen Religiosität eine möglichst baldige Taufe an. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei der Abschrift bzw. Zweitschrift der Matrikel die Ziffer 1 in den Falz eingebunden ist, so dass fälschlicherweise der 3. September gelesen werden könnte. Ein Stammbaum der Ahnen des "Bayerischen Hiasl" (5. April 1888) mit diesem Geburtsdatum könnte auf diesem Dokument beruhen und eine erste Fehlerquelle darstellen. Die Originaldokumente befinden sich im Archiv des Bistums Augsburg.
Neben ihm gab es noch vier jüngere Geschwister: Veronika, die jedoch bald nach der Geburt starb, Willibald, Maria und Regina.
Der Vater war Hirte und Tagelöhner, begleitete aber häufig den befreundeten Jäger Bernhard Wörsching auf dessen Streifzügen und erzählte gerne über diese Jagdleidenschaft, so dass Hiasl schon früh selbst einmal Jäger werden wollte und daher fleißig das Schießen übte. Die Eltern waren fromme und gottesfürchtige Leute, die ihren Sohn stets streng zum Besuch der Christenlehre anhielten und in die Schule schickten. Auch außerhalb der Schulstunden hatte der Junge leichte Arbeiten in der Landwirtschaft oder am Spinnrad zu verrichten.
Im Alter von etwa 11 Jahren kam Hiasl aushilfsweise als Schweinehirt auf das nahe gelegene Jesuitengut Mergenthau und half nach seiner Rückkehr dem Vater. Besonders nach dem frühen Tod seiner Mutter 1752 unterstützte er seien Familie nach Kräften. Zudem durfte er dem alten und inzwischen fußkranken Jäger Wörsching zur Hand gehen und war unter anderem für den herbstlichen Fang der Krammetsvögel (Wacholderdrosseln) verantwortlich.
Den ersten Wildfrevel beging Klostermayr mit 15 Jahren, als er einen kapitalen Hirsch auf dem Lechfeld erlegte. Nach derber Züchtigung nahm ihm der Vater das Versprechen ab, nie wieder eine derartige Tat zu begehen.
Anfang 1753 trat Hiasl auf dem Landgut Mergenthau in Dienst.
Die Zeit auf Gut Mergenthau
Zwar erhielt er anfänglich nur das Gehalt eines gewöhnlichen Knechtes, doch musste Klostermayr nur selten auf dem Feld aushelfen und erleichterte vielmehr dem Jäger die Arbeit. Er erhielt die Wald- und Jagdaufsicht im nördlichen und östlichen Waidbezirk und die Überwachung aller Teiche und Fischwasser.
Zudem war Hiasl der ständige Begleiter der Jesuiten während deren Vakanz auf dem Landgut, ordnete deren Jagden an und sorgte für gute Unterhaltung, was ihm neben reichlichen Trinkgeldern eine Verdoppelung des Gehalts einbrachte. Vor allem erfuhr seine Kunstfertigkeit im Schießen große Bewunderung.
Nach etwa 2,5 Jahren kehrte Klostermayr - möglicherweise in Folge eines missglückten Fastnachtsscherzes - nach Kissing zurück, wo er als Oberknecht bei dem Bauern Joseph Baumüller in Dienst trat. Seine Hoffnung den inzwischen ans Bett gefesselten Jäger Wörsching doch noch beerben zu können, wurde dadurch zerstört, dass dessen Sohn in den väterlichen Dienst trat.
So wurde Hiasl dazu verleitet im Jagdbezirk auf eigene Faust zu wildern, wobei er von Anfang an stets der festen Überzeugung war, dass das Wild Allgemeingut sei und seine Aneignung daher kein Verbrechen darstelle.
Die Flucht ins Schwäbische
Am 24. April 1761 trug es sich zu, dass Hiasl während eines Wirtshausaufenthaltes völlig unerwartet von Soldatenwerbern überrascht wurde und eingezogen werden sollte. Der Befehl erfolgte wohl auf Verheiß des kurfürstlichen Pflegers von Friedberg, der schon lange versuchte Klostermayr des Wilderns zu überführen, wobei es bislang an den nötigen Beweisen gefehlt hatte.
Hiasl machte gute Miene zu bösem Spiel und behauptete, dass es schon lange sein Wunsch gewesen wäre, Soldat zu werden. Im Quartier in Friedberg angekommen, sorgte er für ausgelassene Stimmung und gab Soldaten und Wächtern Essen und Getränke aus. Als er gegen Abend nicht mehr unter den Neugeworbenen entdeckt wurde, glaubte anfangs keiner an eine Flucht. Dann jedoch wurde bekannt, dass Klostermayr durch das Stadttor entkommen und dem Lech zugeeilt war.
Als er die Verfolger heranstürmen hörte, stürzte sich Hiasl in den reißenden Fluß, der zu dieser Jahreszeit vom Schmelzwasser der Alpen hoch angeschwollen war. Da man davon ausging, dass der Flüchtige ertrunken sei, wurden die Nachstellungen eingestellt.
Klostermayr aber erreichte tatsächlich das Ufer und schleppte sich trotz Fieberfrost bis nach Oberottmarshausen bei Schwabmünchen, wo ihn ein Bauer unentgeltlich aufnahm und drei Wochen lang gesund pflegte.
Im Schwäbischen prägte sich auch der Name "Bayerische Hiasl", da der Lech damals die Grenze zwischen Bayern und Schwaben darstellte und Klostermayr so gesehen aus dem Bayerischen kam.
Der "Bub"
Ende 1766 trat der damals erst 15-jährige Andreas Mayr aus Baierberg bei Mering in die Wildschützenbande ein. Dieser hatte schon als Kind eine ungemeine Neigung zum Streunen und Wildern gezeigt und bereits mehrere Jagdfrevel begangen, weshalb der gerichtliche Befehl ergangen war, den jungen Wilddieb zum Militär einzuziehen. Als dieser davon Wind bekam, verließ er das elterliche Haus und eilte über den Lech um sich sich dem "Bayerischen Hiasl" anzuschließen, den er in der Nähe von Augsburg traf und durch seinen Mut, vor allem aber durch seine Schießkunst überzeugte.
Der "Bub" wurde der beständige Gefährte und Adjutant von Klostermayr, der sich liebevoll um ihn kümmerte und genoss bis zum Schluss als einziger in der Bande sein vollstes Vertrauen.
Dennoch kam es zu Trennungen: 1767 wurde Mayr von einer Jägerstreife nahe Türkheim festgenommen und für ein dreiviertel Jahr ins Zuchthaus nach München geschafft. Nach seiner Haftentlassung kehrte der "Bub" jedoch zum "Hiasl" zurück, was die gegenseitige Zuneigung noch vertiefte. Ende Oktober 1770 wurde Andreas Mayr bei Leutkirch verwundet und konnte sich erst im Dezember wieder der Wildschützenbande anschließen.
Während es Prozesses in Dillingen gelang dem "Buben" zusammen mit vier anderen Gefangenen die Flucht aus dem Blockhaus, wobei er sich beim Übersetzen der Mauer das rechte Bein verletzte und infolge nur noch humpelnd vorankam. Er wurde daher von den Kameraden zurückgelassen, fand jedoch Erbarmen bei alten Bekannten, so dass ihm wohl letztendlich die Flucht über die Alpen gelang.
Der "Tyras"
Ein riesiger gestromter Fanghund, der auf den Namen "Tyras" hörte, war der Beschützer des "Bayerischen Hiasl". Als gefährlicher und gefürchteter Gegner bei Zusammenstößen mit Jägern und Soldaten und mit einem außergewöhnlichen Gespür für diejenigen, die seinem Herren nicht wohlgesonnen waren, glaubten nicht wenige, der Hund sei vom Teufel besessen.
Ursprünglich gehörte er dem Müller der Putzmühle bei Merching. Als Klostermayr hörte, dass dieser prahlte sein wilder, unbezähmbarer Hund würde einmal den "Hiasl" fangen und ihn damit sehr reich machen, suchte er diesen auf und befahl ihm den Teufel auf ihn zu hetzen. Mit seinen Kunstgriffen überwältigte er im Ringkampf das Tier, das ihn fortan als seinen Herren betrachtete und ihm treu zur Seite stand.
Es sind einige Situationen bekannt, in denen "Hiasl" den Hund auf Gegner hetzte. Zum Verlust des "Tyras" kam es bei einem Kampf mit Soldaten in Oberelching bei Ulm am 29. Dezember 1770.
Der Hund soll lange Zeit ausgestopft in Mannheim ausgestellt worden sein und ist wohl während des Krieges zerstört worden. Ob es sich jedoch dabei um die Originaldecke des "Tyras" handelte, ist ungewiss.
Verpasste Chancen zur Umkehr
Als Hiasl im Frühjahr 1766 aus der Haft zurückkehrte, hegte er anfangs den festen Entschluss einen ehrlichen Weg einzuschlagen, doch ließ er sich von den Wildschützen und Landleuten, die sich lautstark über Wildschäden beklagten, von diesem Vorhaben abbringen. So holten ihn bald 25 seiner ehemaligen Kameraden im Triumph von Kissing ab und brachten ihn nach Schwaben.
1767 verschaffte ihm der kurfürstliche Medizinalrat und Leibarzt Dominikus Geyer, der ein hochgestellter Vetter von Klostermayr war, die Chance auf eine Anstellung als kurfürstlicher Jäger. "Hiasl" aber vermutete eine Falle. Durch gutes Zureden von Seiten seiner Familie und des ansässigen Pfarrvikars ließ er sich letztendlich überzeugen, wurde jedoch durch das unglückliche Zusammentreffen mit einer Streife erneut verunsichert und lehnte ab.
Daraufhin versuchten Vater, Schwestern und der Pfarrvikar "Hiasl" dazu zu bringen in die Schweiz auszuwandern, um ihn vor einem schrecklichen Ende zu bewahren. Klostermayr war zunächst angetan von diesem Vorschlag und wollte sich in Begleitung des "Buben" in der Ferne ein neues Leben aufbauen.
Trotz des dringenden Abratens seiner Familie bestand er jedoch darauf von seinen Kameraden Abschied zu nehmen und berief hierzu am 4. Juli 1767 eine Versammlung im Augsburger Wald ein, zu der über 40 Wildschützen erschienen.
Diese appellierten an Hiasls Stolz und überzeugten ihn entgegen aller Vernunft und guten Ratschläge weiterhin ihr Hauptmann zu sein. Bei der Wildererversammlung wurden des Weiteren Gewaltakte beschlossen, um den Nachstellungen von Jägern und Soldaten entgegenzuwirken.
Der Fürst der Wälder
Von 1767 an trat Matthäus Klostermayr als unumschränkter Hauptmann auf, dezimierte den Wildbestand und verbreitete Angst und Schrecken unter Jägern und Soldaten. Mitunter wagten es Jagdrechtbesitzer nicht mehr ihre Reviere zu betreten.
Dabei darf man sich die Wildschützenbande nicht als geschlossene Einheit mit fester Mannschaft vorstellen, sondern als losen Verbund mit wechselnder Personenzahl, teils mit ortsansässigen, teils mit sesshaften Vertretern.
Zunächst galt "Hiasl" unter der Landbevölkerung als "Schutzgott" der Felder und war überall gern gesehen. Doch mit Zunahme der Brutalität schwand der Rückhalt unter den Bauern, zumal die Auseinandersetzungen mit Streifen zunehmend blutiger verliefen.
Die Gewalt eskalierte weiter und während es Jahres 1770 verübte Klostermayr eine ganze Reihe von Greul- und Freveltaten, Zerstörungsakten und Feindseligkeiten. Als Beispiele sind der Raubüberfall auf den Obervogt von Täfertingen, die tödliche Misshandlung des Amtsknechts von Agawang oder die Beraubung von Forsthäusern zu nennen.
Die Lage des "Bayerischen Hiasl" spitzte sich weiter zu und er und seine Leute führten ein gehetztes Leben unter ständiger Alarmbereitschaft. Schließlich wurde der erfahrene Premierleutnant Ferdinand Schedel beauftragt, sich der Wildschützen anzunehmen. So kam es zum letzten entscheidenden Kampf in Osterzell.
Die Festnahme in Osterzell
Am 14. Januar 1771 umstellte Leutnant Schedel gegen 7 Uhr morgens mit einer Armee von beinahe 300 Mann, bestehend aus Soldaten und Jägern, das Wirtshaus "Zur Post" in Osterzell. Er hatte Kunde erhalten, dass sich die gesuchten Wildschützen darin aufhielten.
Tatsächlich saßen sie zu zehnt beim Kartenspiel und fürchteten wegen des dichten Nebels an diesem Morgen keine Gefahr, so dass sie sogar die Wachen abgezogen hatten. Schließlich entdeckte der "Bub" durch ein Fenster die nahenden Soldaten und schlug Alarm, worauf die Wildschützen das Feuer eröffneten.
Nach einem fast vier Stunden andauernden Kampfes konnte die Hiasl-Bande ausgeräuchert und gefangen genommen werden. Zwei Mitglieder waren tödlich, die anderen - mit Ausnahme des "Buben" - mehr oder minder schwer verletzt. Auf Seiten der Gegner waren drei Tote und 23 Verletzte zu beklagen.
Die Gefangenen wurden auf einen Kälberschlitten geladen und zunächst nach Buchloe ins Zuchthaus verbracht. Eigentlich waren nur neun davon tatsächlich Mitglieder der Wildschützenbande, während der zehnte unbeteiligter Zeuge des Schauspiels war.
In einer dreitägigen Reise wurden die Wildschützen schließlich nach Dillingen an der Donau transportiert, wo der Prozess stattfinden sollte.
Prozess und Hinrichtung
Der Prozess in Dillingen dauerte von Januar bis September. Verhöre und Untersuchungen waren an der Tagesordnung, wobei "Hiasl" zwar alles gestand aber nach wie vor der festen Überzeugung war, dass das Wild allen gehöre und seine Aneignung kein Verbrechen sei. Auch stellte "Klostermayr" während dieser Zeit eine Art "Schauobjekt" dar, und erhielt zahlreiche Besuche.
Am 15. Juli gelang vier Bandenmitgliedern, darunter dem geliebten "Buben", die Flucht aus dem Blockhaus.
Das Urteil gegen den "Bayerischen Hiasl" wurde an seinem Geburtstag, dem 3. September 1771 verkündet, die Hinrichtung fand am 7. September statt. Eine beachtliche Menschenmasse versammelte sich, um diesem Großereignis beizuwohnen und auch vierzehn Kissinger waren angereist, darunter "Hiasls" Schwester Regina.
Nachdem das Urteil vor dem Rathaus verlesen und der Stab über ihn gebrochen war, wurde Klostermayr in eine rohe Kuhhaut gewickelt und zum Richtplatz geschleift, auf dem zuvor schon zwei seiner Bandenmitglieder enthauptet worden waren. Dort wurde er zunächst mit einem Strick erdrosselt und sein Körper auf der Radbrechmaschine zertrümmert, dann geköpft und gevierteilt.
Der Kopf wurde auf den Galgen aufgesteckt und auch eines der Viertel wurde in Dillingen zur Schau gestellt. Die anderen drei Teile wurden zur Abschreckung in Schwabmünchen, Oberndorf und Füssen aufgehängt.